start | find | index | login or register | edit
HPH - Lied für Pessimisten
by earl, 7783 days ago
Lied für Pessimisten
Hans Peter Heinzl

Wir sind so kompliziert, so halb und halb,
Wir tanzen noch auf dem Vulkan ums goldne Kalb.
Wir wollen edel sein, der Mensch ist gut,
Doch des Gedankens Blässe raubt uns oft den Mut.

In unsrer Kindheit waren wir ganze andre Wesen,
Wir mussten nicht erst Kant und Schopenhauer lesen.
Da stand ganz fest, die Bösen haun uns mit den Ruten,
Doch wer Bonbons bringt, das ist einer von den Guten.

Ein Kind kann sich die feinen Unterschiede schenken,
Man müsste wieder mal wie in der Kindheit denken -
Man müsste wieder mal wie in der Kindheit denken.


Wir sind kulturbeleckt, wir sind human,
Wir hörn vor Urteilssprüchen beide Seiten an.
Wir sind Zerissene, bald so bald so,
Zum animalischen fehlt längst das Animo.

Wir unterscheiden uns ganz deutlich von den Wilden,
sondieren lang um eine Meinung uns zu bilden.
Bei den Neandertalern gabs noch keine Fragen:
"Keule ist gut, Saurier ist schlecht, muss man erschlagen!"

Da brauchte man sich das Gewissen nicht verrenken,
Man müsste wieder mal wie in der Steinzeit denken -
Man müsste wieder mal wie in der Steinzeit denken.


Wir sind so anspruchsvoll - wir wollen mehr
Und deshalb machen wir uns auch das Leben furchtbar schwer.
Weil der Gewissenswurm stets an uns nagt,
Hat sich der Mensch von selbst so manches untersagt.

Unsere Moral hemmt uns beim Zeugen wie beim Morden.
Die Unnatur ist uns schon zur Natur geworden.
Wenn das Radieschen scharf ist, pfeift es auf die Sünde
Und wenn der Spargel schießen will, brauchts keine Gründe.

So ein Salatkopf kann aufs grün sein sich beschränken,
Man sollte wieder mal wie das Gemüse denken -
Man sollte wieder mal wie das Gemüse denken.


Wenn man erwachsen wird - und tolerant,
Dann merkt man, alles was man denkt verläuft im Sand.
Wir sind verunsichert bis tief ins Mark,
Differenzieren und schattieren macht nicht stark.

Denn während wir im intellektuellen Kreis gehen
Gibts andre die die Welt so herrlich in Schwarz/Weiss sehn,
Die Gut und Bös schon an der Farbe unterscheiden,
Nie faustisch grübeln, nie an Hamlets zweifeln leiden.

Die eine ganze Welt aufs eigne Mass beschränken,
Man müsste einfach wieder einmal gar nicht denken -
Man müsste einfach wieder einmal gar nicht denken.


Man muss Probleme vielleicht untern Teppich fegen
Und wieder mehr die Kunst der hohlen Phrase pflegen.
Muss den Konsum zu einer Religion gestalten;
Und seine Hände regen, aber die geballten.

Und darf nie fragen: muss man um die Welt zu lenken
Tatsächlich nur wie in der Kindheit denken?
Wie in der Steinzeit denken?
Wie das Gemüse denken?
Am besten gar nicht denken?
powered by vanilla
echo earlZstrainYat|tr ZY @.
earl.strain.at • esa3 • online for 8425 days • c'est un vanilla site